Tradition ist in Japan so wichtig, weil sie das Fundament von Identität, Stabilität und sozialem Zusammenhalt bildet. Man spürt sie nicht als Erklärung, sondern als Atmosphäre. Tradition ist nichts, worüber gesprochen wird. Sie zeigt sich im Verhalten, im Rhythmus des Alltags und in kleinen, stillen Gesten.
Warum spreche ich jetzt über Tradition und Kultur in Japan?
Weil ich vor ein paar Tagen mit Nguyen Huynh und Ngo Phuong Uyen
aus unserem Team in Vietnam an der Tokyo Build war.
Wir durften bereits einige Projekte in Japan ausführen, und das Land und der Markt interessieren mich sehr. Wenn ich in Japan unterwegs bin, spüre ich schnell, warum das Land heute wieder zu den teuersten Baumärkten der Welt gehört. Fünf Städte unter den globalen Top 15 entstehen nicht zufällig.
Das hat weniger mit Prestige zu tun – und viel mehr mit Haltung. Japan baut nicht teuer, Japan baut konsequent. Tradition ist dabei kein romantischer Ballast. Sie ist ein funktionierendes System. Verantwortung ist klar verteilt, Prozesse sind sauber vorbereitet, Qualität wird nicht diskutiert, sondern vorausgesetzt.
Genau das macht Projekte stabil – auch wenn alles drumherum schwieriger wird: steigende Kosten, fehlende Fachkräfte, unsichere Lieferketten. Gleichzeitig merkt man: Auch Japan steht unter Druck. Reine Handarbeit, alte Abläufe, endlose Präsenz auf der Baustelle funktionieren so nicht mehr.
Aber anstatt alles über Bord zu werfen, passiert etwas sehr Typisches: Man passt sich an, ohne die eigenen Werte zu verlieren. Digitalisierung, neue Delivery-Modelle, Vorfertigung, BIM – all das wird eingesetzt, aber nicht um schneller zu sein, sondern um Fehler zu vermeiden und Qualität abzusichern. Technologie ist Mittel zum Zweck.
In den Gesprächen auf der Messe habe ich gemerkt, dass Japan – gerade beim Bauen im Bestand – noch nicht dort steht, wo wir in der Schweiz heute sind. Bei uns ist 3D in den letzten Jahren vom Trend zur absoluten Mehrheit geworden. In Japan erkenne ich viele Parallelen zum Schweizer Markt vor fünf, sechs Jahren.
Das Interesse an 3D-Bestandesmodellen ist enorm. Es geht um Genauigkeit, um Risiken im Bestand, um bessere Entscheidungsgrundlagen. Und trotzdem passiert am Schluss oft etwas Vertrautes: Beim finalen Entscheid greift man wieder zur altbekannten 2D-Variante.
Nicht weil man 3D nicht will – sondern weil der letzte Schritt noch fehlt.
Der Schritt von „wir wissen, dass 3D besser wäre“ zu „wir setzen es jetzt konsequent ein“.
Diese Situation verstehen wir aus eigener Erfahrung. Wir kennen die Zweifel, die internen Diskussionen und wissen, wie sich das Blatt wendet, wenn 3D als verlässliche Grundlage gedacht wird.
Der Schritt zu 3D-Planungssicherheit ist in aller Munde – in Japan genauso wie damals bei uns. Oft fehlt nur dieses kleine Stück Mut, Erfahrung und Vertrauen.
Und genau dieses Stück bringen wir mit.